Die Prophezeihungen in der Offenbarung des Johannes

Inhalt

1. Grundsätzliches zur Apokalyptik
2. Gliederung der Offenbarung
2.1. Dazu ein Zitat aus Schneeemelcher: NT Apokryphen, Band 2, Seite 530f:
2.2. Abweichende Gliederung
2.2.1. Die Siebener-Visionen (insgesamt sechs ähnliche Varianten einer allgemeinen Schau)
2.2.2. zwei parallel, konkretisierend interpretierende Einschübe
3. Deutung einiger Elemente der Offenbarung auf ein historisches Geschehen
3.1. Der über das gesamte Buch sich erstreckende Spannungsbogen
3.2. Die "kosmische Katastrophe"
3.3. Die "Hure Babylon" und das apokalyptische Tier Offb.13+17
3.3.1. Das Tier und die Hure
3.3.2. Die Zahl des Tieres 666
3.3.3. Das Zeichen des Tieres an der Stirn und in der Hand
3.3.4. Die 7 bzw. acht König
3.3.5. Die Wunde vom Schwert, das zweite Tier
3.3.6. Das Tier / die Hure bekämpft die Heiligen
3.3.7. Die 10 Könige
3.4. Der austrocknende Euphrat
3.5. Die 144000 und die "große Schar"
3.6. Die Posaunen
3.7. Der dritte Teil der Menschen
3.8. dreieinhalb Zeiten
3.9. Maria
3.10. Die apokalyptischen Reiter
3.11. Die beiden Zeugen
3.12. Die 1000 Jahre
4. Datierung
4.1. Antworten auf Kritiken zu dieser Frühdatierung
4.1.1. Nero war nicht der üble Christenverfolger
4.1.2. Die Christenverfolgungen unter Domitian waren grausamer
4.1.3. Irenäus berichtet, die Apk. wäre in den letzten Regierungsjahren Domitians empfangen
4.1.4. Die Offenbarung ist an kleinasiatiche Gemeinden gerichtet. Dort gab es erst unter Domitian Verfolgungen
4.1.5. Der siebte Kaiser sollte nur "eine kleine Zeit" herrschen, das paßt nicht auf Claudius
5. links und Literatur

1. Grundsätzliches zur Apokalyptik

Das zu Daniel gesagte kann z.g.T. auch hier gelten. Apokalyptik ist eine Literaturgattung, die nachträglich die historische Geschichte in Form einer Prophezeihung niederschreibt und daran Zukunftshoffnungen anschließt. In der Regel werden Bilder verwendet, die dadurch, daß der Leser in ihnen das gegenwärtige Geschehen wiedererkennt, den Geist beleben und damit auch eine besonders intensive Identifikation mit den weiter geschilderten Zukunftshoffnungen bewirken. Die Illusion der Vorherbestimmtheit verhindert zudem ein Abgleiten in die Frage "warum gerade ich" oder gar ein Spiel mit dem Gedanken an einen Abfall vom Glauben. Von daher - wie auch von der Endzeiterwartung her - dürfte die Apokalyptik einen nicht unbeträchtlichen Anteil an der Leidensbereitschaft und der Märtyrerkultur unter den Makkabäern und den frühen Christen gehabt haben.

Die Aufgabe der Propheten im alten Israel war weniger das Vorhersagen der Zukunft, sondern vielmehr "als Gewissen des Volkes die Sehnsucht nach dem Rechten und Guten zu erwecken" , so Pinchas Lapide in seinem Buch "Ist die Bibel richtig uebersetzt". Er schreibt weiter: "In der rabbinischen Ueberlieferung wird der Prophet sogar als derjenige bezeichnet, der alltaeglich mit Inbrunst darum betet, dass seine Unheilsdrohungen _nicht_ in Erfuellung gehen moegen. ... Fehlbarkeit, Menschenschwaeche und haeufiges Scheitern sind also unverzichtbare Bestandteile jenes Botenamtes..."

In diesem Sinne moechte ich auch die Offenbarung des Johannes lesen: Nicht als Vorhersage von etwas unabwendbar eintretenden, sondern als Unterstuetzung, um gegen Anfechtungen bestehen zu koennen.

Genauso wie sich die Prophezeihungen des Jona nicht erfuellt hatten, hat sich auch die in der Offenbarung geaeusserte Naherwartung der Wiederkunft Christi nicht erfuellt. Wir duerfen also hoffen, dass sich auch die anderen Prophezeihungen nicht erfuellen, zumindest nicht im woertlichen Sinn, ganz davon abegesehen, daß sie ohnehin nicht wörtlich gemeint sind, wie weitrer unten klar werden wird.

Das Wirken Gottes liegt mE mehr im Jenseitigen, und das hat eher Einfluss auf die Art, wie wir Menschen das Diesseits erleben, wie wir es gestalten wollen, und weniger einen direkten Einfluss auf das physikalische Geschehen in der Welt.

Der Gedanke an das Reich Gottes, das nicht von dieser Welt ist, laesst die Leiden dieser Welt leichter ertragen, aehnlich wie ein Schmerzpatient seine Schmerzen mal ganz vergessen kann, wenn man mit ihm ueber ein Theama diskutiert, das ihn brennend interessiert, wenn er einen spannenden Krimi im Fernsehen sieht, oder sonst irgendwie abgelenkt wird. Um diesen Punkt geht es mE auch in der Offenbarung. Angesichts einsetzender Christenverfolgungen wollte Johannes die Glaeubigen ermutigen, nicht an den sie erwartenden Leiden zu verzweifeln.

Apokalyptik spricht von einer Zukunft, meint aber immer die Gegenwart.

Zur Offenbarung des Johannes speziell ist zu sagen, daß sie auf die Bücher Daniel und Joel zurückgreift, möglicherweise auch auf die apokryphe Thomas-Apokalypse. Sie ist damit ein schönes Beispiel, wie Offenbarung sich vorhandener Gedankenmuster bedienen kann.

 

2. Gliederung der Offenbarung

Die Gliederung des Textes ist ähnlich wie im Buch Daniel dadurch gekennzeichnet, daß derselbe geschichtliche Zeitraum mehrmals vorhergesagt wird und in diese Vorhersagen einige Einschübe eingestreut sind.

 

2.1. Dazu ein Zitat aus Schneeemelcher: NT Apokryphen, Band 2, Seite 530f:

>> Das "außen und innen beschriebene, mit sieben Sieglen versiegelte biblion" (5,1; so nach der wahrscheinlich richtigen Lesart) ist nach G. Bornkamms überzeugenden Ausführungen "eine zweiteilige Urkunde, die, in doppelter Ausführung geschrieben, einen rechtsgültigen Text und einen unversiegelten, jedermann zur Einsicht dargebotenen, entsprechenden zweiten Text enthielt" (S.205); das "außen" bezeichnet den unversiegelten, das "innen" den versiegelten Teil der Urkunde. Demnach bilden die Phänomene, die das Öffnen der sieben Siegel begleiten (6,1-8,1), nicht den Inhalt des Dokumentes, denn dieser ist erst nach Lösung des letzten Siegels zugänglich. Er umfaßt vielmehr das Folgende, die Gesichte 8,2-22,5.
Die Analyse der Komposition hat sich von den Gliederungsprinzipien, die in der Apokalypse selber erkennbar sind, leiten lassen (F. Hahn, Aufbau S. 159). Die Parallelität der drei Siebenervisionen ist schon immer aufgefallen. G. Bornkamm hat aber auch die Parallelität der den Posaunen- und Schalenvisionene folgenden Texte nachgewiesen. (Kap. 12-14 und 17-19) und aufgrund einer sorgfältigen Analyse den Schluß gezogen, daß in 8,2-14,20 und in 15,1-20,5 dieselben Endereignisse, zunächst vorläufig, dann endgültig, dargestellt werden, in knappen Umrissen auch in den Siegelvisionen. Danach bringen die Kapitel 12-14 und 17-19 nicht die chronologische Fortsetzung der in den Posaunen- und Schalenvisionen geweissagten Geschehnisse, sondern nachträgliche, konkrete Ergänzungen zu dem in den Siebenerreihen schematisch Gezeichneten.
Entsprechend ist die Komposition des eigentlich apokalyptischen Teil der Apk (4,1-22,6) dadurch bestimmt, daß dieselbe eschatologische Zeit dreimal geweissagt wird: summarisch in den sieben Siegelvisionen 6,1-8,1, andeutend und fragmentarisch in 8,2-14,20, endgültig und vollständig in 15,1-22,5. Dabei ist die summarische Schilderung 6,1-8,1 als die auf der Außenseite der Doppelurkunde sichtbare Inhaltsangabe des versiegelten Textes auf ihrer Innnenseite zu verstehen, der nach der Lösung des siebten Siegels in 8,2-22,5 geboten wird. <<

Soweit Philipp Vielhauer und Georg Strecker in NT-Apo II.

 

2.2. Abweichende Gliederung

Für mich ergeben sich leicht abweichend folgende Parallelen:

 

2.2.1. Die Siebener-Visionen (insgesamt sechs ähnliche Varianten einer allgemeinen Schau):

I.
- Offb. 6,1-8 die ersten vier Siegel: allgemeine Plagen: die vier apokalyptischen Reiter
- Offb. 6,9-11 das fünfte Siegel, die Leiden der Heiligen, der Ruf nach Ausgleich
- Offb. 6,12-17 das sechste Siegel: das Erscheinen Gottes in den Augen der Heiligen
- Offb. 7,1-17 (Einschub:) die Heiligen, vom Unheil nicht berührt
- Offb. 8,1-5 das siebte Siegel: die Heiligen vor Gott

II.
- Offb. 8,7-21 die ersten vier Posaunen: allgemeine Plagen
- Offb. 9,1-11 die fünfte Posaune: Plagen für die Ungläubigen
- Offb. 9,13-21 die sechste Posaune: Gottes Gericht rafft ein Drittel der bösen Menschen dahin
- Offb. 11,1-13 (Einschub:) zwei Heilige
- Offb. 11, 15-19 die siebente Posaune: vor Gott

III.
- Offb. 10,3-4 die sieben Donner, ihre Rede sollte Johannes nicht niederschreiben
- Offb. 13,2 der siebte Donner?

IV.
- Offb. 14,6-11 die ersten drei Engel
- Offb. 14,13-14 der Menschensohn
- Offb. 14,15-20 der fünfte bis siebte Engel: Kelter des Zornes Gottes

V.
- Offb. 16,2-9 die ersten vier Schalen: allgemeine Plagen, besonders für die Ungläubigen
- Offb. 16,10-11 die fünfte Schale: Plagen für die Ungläubigen
- Offb. 16,12-16 die sechste Schale: die Wiederkunft Jesu
- kein Einschub vor der siebten Schale
- Offb. 16,17-21 die siebte Schale: Plagen für Ungläubige, keine Berge mehr

VI.
- Offb. 18,4-24 eine abgeklärte Sicht der apokalyptischen Visionen

 

2.2.2. zwei parallele, konkretisierend interpretierende Einschübe

A
- Offb. 12-13 und

B
- Offb. 17

handeln von demselben apokalyptischen Drachen/ Tier/ ....

 

3. Deutung einiger Elemente der Offenbarung auf ein historisches Geschehen

3.1. Der über das gesamte Buch sich erstreckende Spannungsbogen

Die Abfolge der sechs Varianten der Siebenervisionen ist recht geschickt.

Die Siegelvisionen Kap 6 schildern die Leiden der Gerechten und gipfeln in ihrem Ruf (6,10): "Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest du nicht und rächest unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen?"

In den Posaunenvisionen 8,6ff wird das Geschehen der Siegelvisionen dann mal "probeweise" um diesen gewünschten Aspekt der Strafe erweitert, und prompt antwortet Gott in 10,3f mit sieben Donnervisionen, die der gute Johannes nicht notieren kann.

Was hat Gott in diesen Donnervisionen gesagt?

Wie wärs mit einer Aufarbeitung der Schreckensvisionen: "Schäm dich, mein lieber Johannes, daß du bei aller den Christen zugefügter Qual an solche furchtbare Rache von meiner Seite denken konntest. Hast du vielleicht sogar Genugtuung bei ihrer Schau empfunden? Nein, nein, das - die Genugtuung - wäre niemals der Sinn meiner Rache. Meine Gerechtigkeit ist von anderer Natur. Du hast noch etwas zu lernen. Da, bitteschön, ..."

"...nimm hin und verschling's! und es wird dich im Bauch grimmen; aber in deinem Munde wird's süß wie Honig" (Off 10,9)

Und Johannes ging ein Licht auf ("süß wie Honig"), mit Freude nahm er die neue Erkenntnis auf, und mit dieser Erkenntnis ging es wie mit allen Erkenntnissen, sie wollen nicht im Kopf stecken bleiben, sondern sie wollen umgesetzt werden. Das führt zu schweren inneren Kämpfen, das eigene Wesen muß der neuen Wahrheit gemäß geändert werden, und das kann schmerzen (Bauchgrimmen).

Jedenfalls wird in der V. Version weit weniger in den Wunden der Ungläubigen gerührt ("allmächtigr Gott, deine Gerichte sind wahrhaftig und gerecht", Offb16,7), und in der VI. Version zeigt sich vielleiht sogar ein wenig Mitleid mit den Leiden der Ungläubigen: "Und sie warfen Staub auf ihre Häupter und schrieen, weinten und klagten und sprachen: Weh, weh, du große Stadt ... ", Offb. 18,19

Dieses Mysterium der Wandlung:
I. Schmerz über Ungerechtigkeit
II. Ausgleichsphantasieen
III. die Erkenntnis, wie sinnlos solche Phantasieen sind
IV. und V. der Gleichmut (nicht Gleichgueltigkeit!), mit der Johannes dann endlich über dem Geschehen stehen kann
VI. Sympathie mit dem Gegener

Diese Wandlung kann nicht dargestellt werden (10,4).

Sie wird wieder in 15,3 angesprochen. Die Verwandelten singen dort das Lied des Mose. "Denn der Herr wird seinem Volk Recht schaffen, und über seine Knechte wird er sich erbarmen. Denn er wird sehen, daß ihre Macht dahin ist und es aus ist mit ihnen ganz und gar." (5.Mose32,36)

Also auch hier noch mal der Gedanke, daß Schwäche zum Segen gereichen kann, erst mit dem Verzicht auf das krampfhaft eigenmächtige Herbeiführenwollen des Guten kann das Vertrauen auf Gott wachsen. Dieser Gedanke begegnet einem öfter im NT, u.A. 2.Kor12,9.

Nach seiner Wandlung sieht Johannes das Geschehen der Siebenervisionen jedenfalls sehr viel distanzierter, fast mitleidend. Nun erst wird er von Gott fuer reif befunden, das weitere zu schauen:

Die diesseitigen Verfolgungsängste werden vor den Gewißheiten über die jenseitige Dimension des Lebens unbedeutend. Johannes ist in der Lage, unabhängig von Verfolgung seinen Glauben zu leben. Damit ist die Macht der Folterknechte Roms über seine Seele gebannt (sosehr der Körper auch leidet), und er hat Zutritt zum himmlischen Jerusalem, das ganz klar nicht irdischer Natur ist (21,16). In diesem Reich läßt es sich tausend Jahre (20,4) aushalten und durch Sanftmut herrschen (20,4 vgl. Mt5,5), egal was man in der Welt erleben muß. Und dieses Reich existiert parallel zur diesseitigen Raumzeit, wie die Hinführung zeigt.

Noch eine grundsätzliche Bemerkung: Was man in der Offenbarung nicht versteht, kann man mE ruhig beiseite lassen. Schon Paulus hat sich von geheimniskrämerischer "Zungenrede" distanziert (1.Kor 14,9). In diese Ecke gehört mE auch die Offenbarung des Johannes. Jedenfalls hat sie es schwer gehabt, sich als kanonisch durchzusetzen.

Mir geht es hier darum, Angst zu zerstreuen, die die Visionen erzeugen könnten, wenn man sie unvoreingenommen liest. Gerade so eine Angst ist aber nicht im Sinn der Offenbarung, wie man aus 22,11 ersehen kann. Wenn sie nämlich Angst erzeugen würde, hätte diese Angst unweigerlich die Frage zur Folge, ob man sich nicht bekehren sollte, um den apokalyptischen Drohungen zu entgehen. Das passt aber nicht. Also nochmal: Eine wörtliche Deutung ist mE nicht möglich.

 

3.2. Die "kosmische Katastrophe"

I.
Offb. 6,12-13 Erdbeben, verfinsterte Sonne, blutroter Mond, Sterne fallen vom Himmel
Offb. 6,14-17 Bewegung der Berge, Angst der Fürsten, der Tag des Zornes Gottes

II.
Offb. 8,10.12 und 9,1-2 Verdunklung von Sonne und Mond, Sterne fallen vom Himmel
Offb. 9,3ff + 17 Rauch und Heuschreckenplage, Feuer, Rauch, Schwefel
Offb. 11,19 Erdbeben

A
Offb. 12,4 Sterne werden durch den Drachen vom Himmel auf die Erde geworfen

IV.
Offb. 14,10f Zorn Gottes und die Qual der Ungläubigen als Rauch
Offb. 14,17-20 Zorn Gottes, Sichel

V.
Offb. 16, 8+10 Feuer und Verfinsterung

VI.
Offb. 18,8-9 Gott ist der Richter: Plagen und Rauch
Offb. 18,15 u.A. die Qualen finden eine Deutung, die nicht körperlich ist (hier: wirtschftliche Verluste), die Furcht

Deutung:
Apg. 2, 19-20 deutet die Schreckensvisionen von Joel (3,4: verfinsterte Sonneund blutiger Mond/ Kap.2: Heuschreckenplage/ 4,13: Sichel/ 2,10 und 4,15: Verfinsterung der Gestirne/ 3,3: Blut, Feuer, Rauchdampf), die in der Offenbarung des Johannes aufgegriffen werden, auf die Ausgießung des Heiligen Geistes.
In 2.Petr.3,10-12 und in der synoptischen Apokalypse (Lk21,11.25-27 Mk13,24-26 Mt24,29-30) werden die Joel-Visionen ebenfalls aufgegriffen und auf die Wiederkunft Christi gedeutet.
In ganz ähnlicher Weise gehen auch dem befreienden Auszug Israels aus Ägypten apokalyptisch anmutende Plagen voraus.
Finsternis als Zeichen für den Tag des HErrn kennt auch Amos5,18.

Mit Prediger12,2 läßt sich das Dunkelwerden der Gestirne auf den individuellen Tod deuten, der jeden Menschen vor das Angesicht Gottes führt.

Auch 2.Mose19,16-18 / 5.Mo4,11+5,22ff / Ps18,8ff schildern die Epiphanie Gottes recht furchterregend: Feuer und Rauch. Ähnlich auch das Gericht über Sodom und Gomorra (1.Mose19,24ff)
Hinter dieser Beschreibung Gottes vermutet man mitunter, daß Jahwe ursprünglich eine Vulkan-Gottheit gewesen sein könnte:
http://194.25.186.84/bibel/allgemein/02-geschichte/all-13.html#p

Das Herabfallen der Sterne läßt sich auf das Ende heidnischer Kulte deuten. In 5.Mose4,19 und Amos5,26 (vielleicht auch in Hiob38,7, vgl. Psalm82,6, und Dan8,10) stehen die Himmelskörper für heidnische Gottheiten. In Jesaja14,12 bedeutet das Herabfallen des Morgensterns das Ende der babylonischen Götter und damit auch der babylonischen Macht. (Vgl. Daniel10,20 , dort findet sich die Vorstellung, daß die Kämpfe zwischen irdischen Mächten durch Kämpfe zwischen den von diesen Mächten angebeteten Gottheiten entschieden werden. Ähnlich auch Richter5,20 oder Offb.12,7 und 20,1-4. In Offb.13,4 zeigt sich, daß der apokalyptische Drache das himmlische Pedant ist zum apokalyptischen, irdischen Tier).
In Offb.1,20 stehen die Sterne dagegen für gute Geister.
Dass Sterne himmlische Wesen bezeichnen koennen, moechte ich auch mit einem Zitat aus dem Aethiopischen Henoch-Buch belegen, einer Parallelueberlieferung zu 1.Mo6,1-4.
Hen86,3: "Dann sah ich weiter im Gesichte; ich blickte zum Himmel auf und sah viele Sterne herabfallen ... und sie wurden zu Stieren unter jenen Kuehen und weideten bei ihnen."

Summa summarum geht es also um das Erscheinen Gottes in der Offenbarung,
daß dieses Erscheinen von den Gläubigen begrüßt werden wird,
und daß die Ungläubigen angesichts der Wahrheit schamvoll sich zu verstecken versuchen werden. (Die Erkenntnis eigenen Fehlverhaltens ist eben peinlich.)

Diese Deutung mag überraschen. Sie zeigt aber, wie wichtig es ist, den historischen Kontext einer Schrift zu kennen.

 

3.3. Die "Hure Babylon" und das apokalyptische Tier Offb.13+17

3.3.1. Das Tier und die Hure

- Offb. 13
- Offb. 17

Schlüsselverse zum Verständnis sind

17,9: "Die sieben Häupter sind sieben Berge, auf welchen das Weib sitzt." und
17,18: "das Weib, das du gesehen hast, ist die große Stadt, die die Herrschaft hat über die Könige auf Erden."
13,7 das Tier hat Macht über alle Völker

Achtung! Mit dem Weib aus Offb. 12 ist Maria gemeint!

Bekanntlich ist Rom auf sieben Hügeln gegründet und herrschte praktisch über die gesamte damals bekannte Welt. Das apokalyptische Tier ist damit das römsiche Reich und die Hure die Stadt Rom. Im Folgenden soll gezeigt werden, daß auch die Deutungen weiterer Verse und Passagen der Apokalypse hierzu stimmig sind.

 

3.3.2. Die Zahl des Tieres 666

Die Deutung auf Nero duerfte am ehesten akzeptiert sein. Nach Juergen Roloff: "Die Offenbarung des Johannes", 1984, S. 144f rechnet sich das so:
"Die Summe der Zahlenwerte von Neron Quesar (= der Kaiser Nero) ist 666 (n = 50; r = 200; o = 6; n = 50; k = 100; s = 60; r = 200). Diese Loesung wurde ueberraschend bestaetigt durch die Funde von Muraba'at, in denen genau die hier vorrausgesetzte Schreibweise auftaucht. Sie hat ferner den Vorteil, dass sich von ihr aus auch eine wichtige Textvariante erklaeren laesst: Eine Reihe von Handschriften lesen naemlich statt 666 die Zahl 616. Bei lateinischer Aussprache des Namens las man nicht mehr Neron, sondern Nero, weshalb man die Namenszahl um den Wert des Buchstabens n ( = 50) verringern musste."

Eine solche Deutung der apokalyptischen Zahl passt recht gut in den Gesamtkontext der Offenbarung, hat aber freilich den Nachteil, dass die Apk eben zuerst in griechisch und nicht in hebraeisch bzw. lateinisch ueberliefert ist.

Roloff, Seite 20:
"Die Sprache der Offenbarung hat innerhalb des neuen Testaments nicht ihresgleichen. Nirgends ist die griechische Decke ueber dem semitischen Untergrund so duenn wie hier."

Man koennte also entweder einen hebraeischen Urtext der Off. annehmen oder davon ausgehen, dass es in den apokalyptischen Gemeinden viele Hebraeischkundige gegeben hatte, die die Zahl 666 relativ schnell zu deuten wussten. Schließlich eignet sich das Hebräische etwas besser für Gematrieen als das Griechische (Das Lateinische ist für derartige Rechnereien eher ungeeignet). Roloff berichtet (Seite 16) - unter Verweis auf Euseb, KG 3, 37 und 39 - jedenfalls von einer Einwanderung palaestinischer Judenchristen in die Provinz Asien nach der Katastrophe des Jahres 70.

Wenn man Off.13,17 auf Muenzgeld bezieht, kommen ja nicht so allzuviele Personen als Kandidaten für die apokalyptische Zahl in Frage. Auf jeden Fall dürfte es für einen Juden einen erheblichen Gewissenskonflikt bedeutet haben, eine Münze mit dem Bild Neros in der Hand zu halten, einem Bild Neros, der sich als Gott verehren ließ. Das war ein klarer Verstoß gegen das erste und zweite Gebot.

Zur (unmöglichen) Deutung auf den Papst, die man häufig antrifft:

"VICARIUS FILII DEI" (übersetzt: Stellvertreter des Sohnes Gottes) ergibt mit
V = U = 5
I = 1
C = 100
L = 50
D = 500
in der Quersumme ebenfalls 666, wenn man den übrigen Buchstaben keinen Zahlenwert zuerkennt.

Dem ist zu entgegnen: Wenn es naheliegende Interpretationen gibt, scheiden fernliegende aus. Wenn einer sagt: "Die Sonne scheint", dann denkt natuerlich jeder, dass die Sonne in unserem Sonnensystem gemeint ist. Wenn er dann aber sagt: "Aetsch, ich habe aber die Sonne xy in irgend einer fernen Galaxie gemeint" ... Nee, das ginge nicht. Man muss schon dabei bleiben, dass das Naechstliegende gemeint ist.

Und die Deutung der 666 auf Nero ist mE bei allen Schwierigkeiten sehr viel naeherliegend als eine Deutung auf den Papst.
1. der sprachliche Gesichtspunkt: Dem Schreiber wie auch den Adressaten duerfte das Griechische und selbst noch das Hebraeische sehr viel naeher gelegen haben, als das Lateinische.
2. der zeitliche Gesichtspunkt: Der Papst hatte erst im Mittelalter eine derartige Machtfuelle, wie sie in Apk 13,17 dem "Tier" zugeschrieben wird. Damit liegt die Deutung auf den Papst um tausend Jahre ferner als die Deutung auf Nero.
3. die Berechnungsmethode: Am besten eignet sich das Hebraeische fuer solche Gematrieen, gefolgt vom Griechischen. Ob das aber auch im Lateinischen ueblich war, moechte auch ich bezweifeln. Da gibt es ja nicht mal fuer jeden Buchstaben einen Zahlenwert.

 

3.3.3. Das Zeichen des Tieres an der Stirn und in der Hand

- Offb. 13,16 / 14,9 / 20,4 (Zeichen an Stirn und Hand)
- Offb. 14,11 / 15,2 / 16,2 / 19,20 (Malzeichen)

Daß man Geld in die Hand nehmen muß, um es verwenden zu können, das dürfte klar sein.
Was hat aber das Zeichen des Tieres an der Stirn verloren?
5.Mo.6,8 berichtet, daß das Gebet "Höre Israel" an Hand und Stirn getragen wurde. In diesem Gebet wird eindringlich darauf verwiesen, daß nur Gott und nur der HERR allein anzubeten sei. Wer nun anderen Göttern huldigt, etwa dem Nero auf einer Münze, der ist so, als ob er das ganze Gesetz nicht gehalten hätte (Jak2,10), dem hilft es nichts, wenn er das Gebet "Höre Israel" an Hand und Stirn trägt, dem ist es so, als ob er es nicht an Hand und Stirn tragen würde, als ob er statt dessen dort götzendienerische Symbole trüge.

Im Talmud, Sanhedrin74a, heißt es: "Jede Übertretung, die in der Weisung genannt ist, außer Götzendienst, Unzucht und Mord, darf ein Mensch übertreten, damit er nicht getötet werde, wenn sie zu ihm sagen: Übertritt, damit du nicht getötet wirst!" Das erklärt die Konsequenz, mit der die Offenbarung des Johannes das Annehmen des Zeichen des Tieres (= Gebrauch von Münzgeld) verurteilt.

 

3.3.4. Die 7 bzw. acht Könige

- Offb. 17, 9-11

Vielleicht kann man

1. Caesar (48-44)
2. Octavian Augustus (44vChr-14nChr)
2. Antonius (Mitglied im Triumvirat)
2. Lepidus  ( " ) vgl. die Deutung der 10 Hörner Daniel 7, die ebenfalls auf gleichzeitig regierende Könige geht
5. Tiberius (14-37)
6. Caligula (37-41) Kaiserkult
7. Claudius (41-54)
8. Nero (54-68) Kaiserkult

zählen, also auch hier das Tier Apk17,11 mit Nero identifizieren (was freilich den Nachteil hat, daß Apk17,10 dem Claudius dann nur eine „kleine Zeit“ der Regierung zugesteht, vgl. aber Hosea1,4    Hebr2,7   Jak4,14   Apk6,11 und andere, wo eine „kleine Zeit“ durchaus eine beträchtliche Zeitspanne bedeuten kann).

 

3.3.5. Die Wunde vom Schwert, das zweite Tier

Das Tier mit der tödlichen (Apk13,3) Wunde vom Schwert (Apk13,14), das wieder heil (Apk13,3.12) bzw. lebendig (Apk13,14) geworden war, wäre identisch mit dem Tier, das gewesen ist und nicht ist und der achte sein wird (Apk17,8.11). Vielleicht muß man das Tier hier mit dem Kaiserkult identifizieren, der mit der Ermordung Caligulas zunächst für die Juden erledigt schien, dann aber mit Nero wieder aufkam.

Das zweite Tier, das alle Macht des ersten Tieres ausübt (Offb. 13, 11ff) und zwei Hörner hat, das wäre dann der Kaiserkult im römischen Reich unter den Cäsaren Caligula und Nero. Diese beiden Kaiser wären mit den beiden Hörnern zu identifizieren (Horn=König zB. bei Daniel und auch in Offb.17,12). Unter ihnen war der Kaiserkult ausgeprägt, darum sind sie besonders erwähnenswert.

Ein Bild wiederholend, wie so vieles in der Offb. wiederholend ist, ist das zweite Tier ist also dasselbe wie das erste, es werden nur andere Aspekte hervorgehoben.

 

3.3.6. Das Tier / die Hure bekämpft die Heiligen

- Offb.13,7 / 13,14 / 17,6 / 17,14

 

3.3.7. Die 10 Könige

Die zehn Hoerner sind die Herrscher der von Rom eroberten Gebiete. Sie sind von Rom abhaengig (17,12), sind romhoerig (17,13), wuenschen sich insgeheim aber Unabhaengigkeit (17,16)

 

3.4. Der austrocknende Euphrat

- Offenbarung 16,12 "Und der sechste Engel goß aus seine Schale auf den großen Wasserstrom Euphrat; und das Wasser vertrocknete, auf daß bereitet würde der Weg den Königen vom Aufgang der Sonne."

Hierin könnte sich die Hoffnung auf eine Hilfe durch das jüdisch beherrschte Adiabene jenseits des Euphrats im Krieg gegen die Römer um 70 nChr. widerspiegeln.

vgl. Josephus,

Eine andere Möglichkeit der Deutung liegt in der Erwartung der Rückführung der Verstreuten Juden aus der Diaspora nach Israel. Eine solche Rückführung sollte nach allgemeiner Erwartung ein Zeichen der Endzeit sein.

In Joel 4,7ff sind beide Deutungen miteinander verknüpft: Die Heimkehrer rüsten sich zum endzeitlichen Kampf.

Übrigens ist m.W. der Euphrat schon mehrmals in der Geschichte ausgetrocknet, ohne daß einem solchen Ereignis eine endzeitliche Bedeutung hätte beigemessen werden können.

 

3.5. Die 144000 und die "große Schar"

- Offb. 7, 3-17
- Offb. 14,1-5
- Joh. 10,16
- Lk. 12,42

Das Tier aus Off13 konnte mit Off17,9 als das roemische Kaisertum der ersten sieben bis acht Kaiser identifiziert werden. Die Versiegelung war bereits in Off9,4 geschehen. Dass sie abschliessend geschehen war, laesst sich aus Off7,3 ableiten. Die 144000 waren also bereits zur Zeit der ersten roemischen Kaiser "vollzaehlig".

Meine Meinung ist nun die, dass die Zahl der 144000 aus den Judenchristen (johanneisch?) und die "grosse Schar" aus den Heidenchristen (paulinisch) stammten. Sie bezeichnen lediglich die Menge der Auserwaehlten zum Zeitpunkt des Erschauens der Offenbarung.

Johannes schreibt seine Offenbarung an Judenchristen (Off2,9 und 3,9). Im Judentum war der Genuss von Blut verboten, so dass den Adressaten der Offenbarung moeglicherweise die paulinische Form des Abendmahls nicht gelaeugfig war. Überhaupt ist der Gedanke an ein "Menschenopfer" oder der Göttlichkeit eines Menschen mit dem Judentum kaum vereinbar.

Dass es Differenzen zwischen Paulus und den anderen Aposteln gegeben hat, ist belegt in Apg15,1ff und 21,21ff. Die Differenz bezueglich des Abendmahls ist fuer meine These noetig, da soweit ich es sehe nur die grosse Schar mit dem Praedikat "gewaschen...im Blut des Lammes" (Off7,14) belegt wird, nicht aber die 144000.

Als Beleg, dass es im Urchristentum auch andere Formen des Abendmahls gegeben hat, ein Zitat aus der Didache, einer altsyrischen Gemeindeverfassung (9,1-4, das Zitat hat allerdings den Schoenheitsfehler, dass die Didache aus Sondergut des Matthaeusevangeliums zu schoepfen scheint. Manche Ausleger folgern daraus, dass das Matthaeusevangelium den Gemeinden der Didache vorgelegen hat, mithin ihnen auch Mt26,26ff bekannt gewesen sein duerfte. Ich halte diesen Schluss nicht fuer zwingend. Es hat ihnen eben nur das Sondergut vorgelegen.) "1. Betreffs der Eucharistie: Sagt folgendermassen Dank: 2. Zuerst betreffs des Bechers: Wir danken dir, unser Vater, fuer den heiligen Weinstock Davids, deines Knechtes, den du uns offenbart hast durch Jesus, deinen Knecht. Dir die Herrlichkeit in Ewigkeit. 3. Betreffs des Brotes: Wir danken dir, unser Vater, fuer das Leben, das du uns offenbart hast durch Jesus, deinen Knecht. Dir die Herrlichkeit in Ewigkeit. 4. Wie dies auf den Bergen zerstreut war und zusammengebracht ein Brot geworden ist, so soll deine Kirche zusammengebracht werden von den Enden der Erde in dein Reich! Denn dein ist die Herlichkeit und die Kraft in Ewigkeit."

Diese Gebete sollen sich eng an juedische Mahlgebete anlehnen. Auch das Johannesevangelium kennt nicht das Abendmahl. Wenn Jesus auf die Zeichenforderung Joh6,30 in einem zweiten Anlauf die Verse 51ff antwortet, wirkt das eher wie eine veraergerte Ablehnung der Zeichenforderung im Stil von Mt12,39. So relativiert Jesus denn auch gleich in Vers 58: "Nicht wie die Vaeter haben gegessen" und Vers 63 "das Fleisch ist nichts nuetze", so dass man diese Stelle nicht unbedingt im Sinne eines paulinischen Abendmahls deuten muss. Auch 1.Joh1,7 muss nicht unbedingt im Sinne eines Abendmahls gedeutet werden.

Wenn Johannes in der Offenbarung zwischen den 144000 und der grossen Schar (Off7,9ff) differenziert, koennte er damit auf den Unterschied zwischen johanneischem (asketischerem vgl Off14,4) Christentum und paulinischem Christentum (weniger asketisch, 1.Kor7,3) anspielen in dem Sinne, dass die johanneischen Christen sich zwar als auserwaehlt ansehen , die paulinischen Christen aber gleichfalls als Christen anerkennen moechten. Aehnlich wie Roemer 14: Ein jeder sei sich seiner Meinung gewiss, achte aber die des anderen. In diesem Sinn kann auch Joh10,16 verstanden werden. 1.Joh2,21 scheint ein gewisses "Elitebewusstsein" der Adressaten des Briefes zu bestaetigen.

Ein Vergleich von Off7,17 mit Off20,4 laesst den bei weitem nicht nicht zwingenden Schluss zu, dass die 144000 ueber die grosse Schar herrschen würde. Die grosse Schar wird nicht explizit mit den Eigenschaften (versiegelt, nicht das Zeichen des Tieres an der Stirn, mit Frauen nicht befleckt, in ihrem Munde kein Falsch, unstraeflich, juedisch) belegt, die fuer die 144000 angegeben werden!

Lukas ist dem paulinischen Christentum zuzuordnen. Lk12,42 spricht gegen Offb. und Joh. nur von einer Herde. Die paulinischen Christen haben es nicht noetig, sich von weniger konsequent Glaeubigen abzugrenzen. Sie wuerden eher die johanneischen als elitaer beneiden oder verachten, auf jeden Fall also anerkennen.

Ich denke, dass die Zahl 144000 nur symbolische Bedeutung hat. Da sich die Naherwartung nicht im historischen Sinn erfuellt hat, kann man auch die Zahl der 144000 nicht woertlich nehmen, also nicht als Begrenzung der Zahl der Erwaehlten aller Zeiten. 

 

3.6. Die Posaunen

- Offb. 8,6ff

sind Symbol für den Beginn des endzeitlichen Krieges. vgl. Joel2,1

 

3.7. Der dritte Teil der Menschen

- Offb. 9,15+18 (vgl. Offb. 8,7-12 / 12,4 )

auch hier werden atl. Motive aufgegriffen, vgl. Hes.5,2.12 / Sach.13,8f

 

3.8. dreieinhalb Zeiten

dreieinhalb Zeiten, Tage oder Jahre, 42 Monate, 1260 Tage
(11,2   11,3   11,9   11,11   12,6   12,14   13,5)
weitere unzpezifische kurze Zeitspannen
(13,3   17,8   17,11  in Verbindung damit auch 6,2-4)

vgl.Dan7,25

Es scheint zum einen um eine kurze Unabhaengigkeit von Rom zu gehen, die
mal positiv und mal negativ bewertet wird, zum anderen vielleicht auch um
Christen- oder Judenverfolgungen. In Frage kommen u.a. die Herrschaftszeit
des
Herodes Agrippa I. (41-44), der roemisch-juedische Krieg (66-70),
Diasporaaufstaende (115-117) und der Bar-Kochbar-Aufstand (132-135). Geht
man davon aus, dass die in der Offenbarung genannten Zeitspannen (von 11,11
vielleicht mal abgesehen) nur eine historische Begebenheit bezeichnen,
koennen sie sich nur auf die Zeit 41-44 beziehen, da Herodes Agrippa I.
einerseits im Kaiserkultstreit mit Caligula fuer Juden unannehmbare
Kompromisse erreichen wollte, andererseits aber auch viele Anhaenger unter
den Juden hatte (Apg12,22-23), also sowohl positiv wie auch nagativ
bewertet wird. Dazu passen die Warnungen vor selbsternannten Juden, die in
Wirklichkeit keine waeren (Off 2,9 und 3,9). Herodes Agrippa I. war
naemlich Idumaeer (=Edomiter) und kein Jude.

Eine klare Deutung ist mir nicht möglich.

 

3.9. Maria

- Offb. 12

Das in diesem Kapitel angesprochene Weib ist offensichtlich Maria, ihr Sohn (12,5) damit Jesus.

 

3.10. Die apokalyptischen Reiter

- Offb. 4,6-8 vier Gestalten
- Offb. 6,1-8 rufen die vier Reiter hervor

Damit kann ich wenig anfangen.

Die Beschreibung der Gestalten (voller Augen, Flügel) erinnert ebenso wie das dritte Tier Dan7,6 an die Hesekielvision vom Thronwagen Hes.1,6.10.18.

Das vierte Tier Dan.7,1-7 steht für eines der vier Diadochenreiche, herrscht also gewissermaßen ebenso wie der vierte apokalyptische Reiter über den vierten Teil der Erde. Beider Herrschaften sind durch besondere Grausamkeit gekennzeichnet.

Offb. 6,6 hört sich nach Inflation an, vgl. Apg.11,28.

 

3.11. Die beiden Zeugen

- Offb. 11,3-13

Für mich ist nicht eruierbar, wer mit den beiden Zeugen gemeint ist.

Es scheint sich einerseits um Jünger Jesu zu handeln. Die Verse 7, 11 und 12 reden von Hinrichtung, Auferstehung und Himmelfahrt der Zeugen, nach Vers 8 ist Jesus jedoch keiner dieser Zeugen, sondern ihr Herr.

Andererseits könnte vielleicht auch ein Vergleich mit Sacharja 4,3.11-14 weiterführen. Das Verbindende ist ja das Bild der zwei Ölbäume (Offb.11,4), die bei Sacharja auf die "zwei Gesalbten, die vor dem Herrscher aller Lande stehen" gedeutet werden.

Nun reden auch die Qumranrollen öfters von zwei Gesalbten, einen aus Aaron und einen aus Israel. Es dürfte sich dort um einen priesterlichen und einen königlichen Messias handeln.

Und so könnte man auch die beiden Zeugen der Offenbarung des Johannes auf den jüdischen König (alternativ auf den jüdischen Heerführer Simon, der in Rom hingerichtet wurde, vgl. BJ7,5,6 und Offb.11,7f?) und den Hohepriester (die Hohepriester? vgl. BJ5,13,1 und Offb.11,8f, wo beidemale die Leichen nicht beerdigt werden) deuten, aber das ist alles mit Unstimmigkeiten verbunden.

 

3.12. Die 1000 Jahre

Offb.20    Mt.25,31ff    2.Petr.3,8    1.Kor6,3

Die 1000 Jahre könnten sich auf den Tag des Gerichts beziehen, wie es übrigens ähnlich auch der Koran (32,6) sieht. In Mt empfangen erst die Gerechten und dann die Ungerechten ihren Richterspruch, das entspräche dann der ersten und zweiten Auferstehung in der Offenbarung des Johannes. Die 1000 Jahre währende Herrschaft der Gerechten zusammen mit Christus findet eine schwache Parallele im 1. Korintherbrief. Daß der Tag des Gerichts 1000 Jahre währt, könnte mit 2.Petr.3,8 begründet werden.

Die vielfachen Dopplungen in der Offenbarung des Johannes erlauben es m.E. auch formal, die Abschnitte 20,2-10 und 20,11-21, aufeinander zu beziehen.

 

4. Datierung

Die übliche Datierung auf 100 stuetzt sich mW darauf, dass der Kaiserkult planmaessig im ganzen roemischen Reich erst unter Domitian eingefuehrt wurde. In Ephesus (Apk 2,1) hat man zB die Reste eines Domitiantempels ausgegraben.

Fuer manche Juden wird es aber vermutlich schon an eine das Gewissen belastende Gotteslaesterung gegrenzt haben, eine Muenze mit dem Abbild eines Menschen in den Haenden zu halten, der sich goettlich verehren laesst, sodass bei ihnen bereits der Kaiserkult unter Caligula und Nero auf heftige Ablehnung gestossen sein muss. Josephus berichtet zumindest in BJ 2,9,2f, dass die Juden die Feldzeichen der roemischen Armee - auf ihnen gab es ein Caesarenbild - nicht in Jerusalem dulden wollten (geschweige denn ein Standbild des Caesars im Tempel, BJ 2,10,1-5). Deshalb wird man die Abfassungzeit durchaus auch frueher ansetzen koennen. Wenn man die 666 auf Nero bezieht, muss man das ohnehin; es sei denn, dass man in Domitian den Nero redivivus sieht (wo kommt die Sage eigentlich her, dass Nero wiederkehren wuerde?), aber das will ich mal ausschliessen. Dann ist die Apk kurz nach dem Tode Neros (Apk 17,11) abgefasst und sie datiert sich selber in die Zeit Caligulas (17,10).

Die Thematik "Neues Jerusalem" in Apk 21 deutet darauf hin, dass das alte Jerusalem zumindest teilweise bereits zerstoert ist. In dieselbe Richtung weist auch die Gegenueberstellung der "144000" zu der "großen Schar" in Apk 7. Der Gegensatz zwischen Juden- und Heidenchristen, auf den hier mE angespielt wird, war eben nach der durch den juedischen Krieg bedingten Migration der Judenchristen Jerusalems in die heidenchristlichen Gemeinden Kleinasiens fuer den Schreiber und die Adressaten besonders aktuell.

Abfassung um 70 n Chr. wuerde also passen.

 

4.1. Antworten auf Kritiken zu dieser Frühdatierung

4.1.1. Nero war nicht der üble Christenverfolger

Bedenkenswert ist sicher der Einwand, daß Nero der neueren geschichtlichen Forschung zufolge gar nicht der grausame Despot war, sondern eher zögerlich, den unteren Bevölkerungsschichten zugetan und gewaltvermeidend, wo nur irgend möglich.

Für die Auslegung der Offenbarung ist nun jedoch weniger von Bedeutung, wie Nero wirklich war, sondern eher, wie sein Bild aus jüdischer Sicht beschaffen war. Und da ist Josephus die Quelle der Wahl.

Interessant ist nun der Wandel der Ansicht des Josephus bezüglich Poppäas: Während er in JA20,8,11 Poppäa noch als gottesfürchtige Sachwalterin der Juden bei Nero lobt, bezeichnet er sie nach der Einsetzung des brutalen und die Juden aufreizenden Gessius Florus als judäischer Statthalter durch Nero in JA20,11,1 als gottlos.

Offensichtlich wird die Brutalität dieses Gessius Florus dem Kaiserhaus zugerechnet. Und Gessius Florus scheint da nicht ganz schuldlos zu sein, schreibt Josephus doch über ihn: Er "dagegen prahlte mit der Mißhandlung unseres Volkes, als wäre er nur geschickt worden, um seine Bosheit an den Tag zu legen." Das liest sich fast so, als ob Florus von Nero geschickt wäre, um die Juden zu quälen.

Aber auch weil Nero Kriegsgegner im jüdischen Krieg war und Vespasian zur Niederschlagung des jüdischen Aufstandes nach Judäa schickte (BJ3,1,2), ist es möglich, daß er jüdischerseits dämonisiert wurde.

In JA 20,8,2 kommt Nero bei Josephus jedenfalls nicht gut weg, wenn die Morde an Britannicus, an seiner Mutter, an seiner Frau Octavia und an vielen edlen Römern ihm angelastet und die Verschwörungen lediglich als Vorwand abgetan werden.

Ähnlich das Bild in BJ 2,13,1: "Wie Nero im Taumel seines Glücks und Reichtums frevelnd dem Schicksal trotzte, wie er der Reihe nach seinen Bruder, seine Gattin und seine Mutter mordete, wie alsdann seine Grausamkeit sich gegen die edelsten Männer richtete, und wie er endlich in seinem Wahnsinn auf die Bühne uns ins Theater sich verirrte, ...."

oder in BJ 4,9,2: "Wie dieser Imperator, der dreizehn Jahre und achte Tage regierte, den Thron dadurch beschimpfte, daß er den verruchtesten Menschen, Nymphidius und Tigellinus, und den unwürdigsten Freigelassenen die Regierungsgeschäfte überließ..."

Wie Nero auch immer war, er hatte jedenfalls nicht die beste Presse. Und das wird nicht dadurch ausgebügelt, daß es zweifellos auch gute Nachrichten über ihn gab, wie Josephus in JA20,8,3 zugibt.

Man muß deshalb mE schon damit rechnen, daß Nero unter den Juden und Christen einen außerordentlich schlechten Ruf gehabt hatte.

 

4.1.2. Die Christenverfolgungen unter Domitian waren grausamer

Ich meine dazu, daß die Verfolgungen in der Offb. gar nicht so dramatisch geschildert werden, so daß von diesem Gesichtspunkt her durchaus auch diejenigen unter Nero gemeint sein könnten. 

Viel dramatischer wird jedenfalls das Erscheinen Gottes geschildert. Ähnliche Schilderungen in 2.Mose19,18ff  5.Mose5,22ff  Ps18,8ff  oder Apg.2,19f werden durch die Apk. weit in den Schatten gestellt.

Zudem wird man nicht nur die Christenverfolgungen, sondern auch allgemein den von Nero befohlenen Kriegszug gegen die Juden im Auge haben müssen. Schließlich hatten sich die Christen damals noch vornehmlich als Juden gefühlt. Zumindest die (johanneischen) Judenchristen.

Ein weiteres Problem einer Spätdatierung der Offenbarung ist Apk.17,11: Domitian kann man zwar zur Not als den achten römischen Kaiser zählen, das aber nur, wenn man Cäsar, Galba, Otho und Vitellius ausläßt (und selbstverständlich auch die beiden Triumvirn Antonius und Lepidus nicht mitzählt).

Zumindest Cäsar ist nun unübersehbar und wird auch von Josephus zu den römischen Alleinherrschern gezählt (JA18,2,2). Aber auch von den Imperatoren des Dreikaiserjahres (Galba, Otho, Vitellius) berichtet Josephus in BJ4,9,2, daß sie allseits sattsam bekannt gewesen wären und die entsprechenden Ereignisse "von vielen griechischen wie römischen Schriftstellern bereits aufgezeichnet" wären.

 

4.1.3. Irenäus berichtet, die Apk. wäre in den letzten Regierungsjahren Domitians empfangen

In seiner Streitschrift gegen die Häresieen schreibt Irenäus (5,30,3): "Denn nicht schon vor langer Zeit wurde sie (die Offenbarung des Joh., U.G.) geschaut, sondern beinahe noch in unseren Tagen, nämlich am Ende der Regierung Domitians"

Irenäus wettert gegen jede Versuche, die 666 zu deuten. Möglichkeiten gäbe es genug, ja viel zu viele, und wenn einer meinte, den Namen des Antichristen zu kennen, würde er in seiner Wachsamkeit gegenüber Irrlehren nachlassen. Irenäus hat also gar kein Interesse an einer Deutung. Wäre die Deutung auf Nero richtig, würde das den Wert seines Lebenswerkes sehr mindern. Wachsamkeit gegenüber dem Antichristen wäre nicht mehr angesagt, und wer würde dann noch seine "Adversus Häreses" lesen?

Vielleicht ist Irenäus aber auch demselben Irrtum aufgesessen wie moderne Interpreten, daß er sich nämlich von der Tatsache hatte irreführen lassen, daß es unter Nero gar keine ausufernde Christenverfolgung gegeben hatte.

Zudem läßt sich die Irenäusstelle angeblich auch anders lesen:
http://www.petbutler.com/revnotes/Irenaeus.htm
Nicht die Offenbarung wäre in den letzten Regierungsjahren geschaut worden, sondern man hätte den Empfänger der Offenbarung, nämlich Johannes, in den letzten Regierungsjahren Domitians noch (unter den Lebenden) gesehen.

 

4.1.4. Die Offenbarung ist an kleinasiatiche Gemeinden gerichtet. Dort gab es erst unter Domitian Verfolgungen

Es hatte eine Auswanderungswelle jüdischer Christen aus dem Heiligen Land um die Zeit des Jüdischen Krieges gegeben (nach Eusebius, KG 3,37 und 39). Die Auswanderer ließen sich überwiegend in Kleinasien nieder, so daß der Offenbarer Johannes dort genügend Adressaten hatte, die den Krieg nicht nur als Drangsalierung, sondern auch als Gotteslästerung (die römischen Feldzeichen mit dem Bild des Kaisers wurden von den Soldaten als Gottheiten verehrt) erfahren hatten.

 

4.1.5. Der siebte Kaiser sollte nur "eine kleine Zeit" herrschen, das paßt nicht auf Claudius

siehe 3.3.4.

 

5. links und Literatur

G. Bornkamm, Die Komposition der apokalyptischen Visionen in der Offenbarung Johannis, in: Ders., Studien zu Antike und Urchristentum (BevTh28), ³1970, S.204-222.
F. Hahn, Die Sendschreiben der Johannesapokalypse. Ein Beitrag zur Bestimmung prophetischer Redeformen, in: Tradition und Glaube, FS K. G. Kuhn, 1971, S.357-394.

Kamal Salibi: Die Bibel kam aus dem Lande Asir, Reinbeck 1985 (seriös?)

Jürgen Roloff: Die Offenbarung des Johannes, Theologischer Verlag Zürich, 1984
http://www.aloha.net/~mikesch/666.htm (englisch, viele, zum größten Teil unhaltbare Deutungen)
http://www.aloha.net/~mikesch/cath.htm (englisch, katholische Deutung der 666)

Pinchas Lapide: Ist die Bibel richtig übersetzt?, GTB Siebenstern 1415, ³1989

 

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erstellt: 2001 letzte Änderung: 17.07.2003