Sprich: "Seht,ich bin nur ein Mensch
wie ihr ..."
(Koran 41, 7)
Der Umgang des Propheten des Islam mit seiner
Fehlbarkeit,
die entsprechenden Implikationen für den Stellenwert der Sunna
in der Sharia
sowie die Notwendigkeit, stets demütig die eigene Fehlbarkeit zu
bedenken.
1. Vorbemerkung
2. Verse aus dem Koran
3. Aus der Sunna
4. Das Gebot der Vernunft
Als Mu'adh ibn Dschabal zum Richter des Jemen
bestellt worden war, begab er sich zum Propheten, um Abschied zu
nehmen. Zwischen Muhammad und Muj'adh entspann sich ein Gespräch:
"Auf welcher Grundlage wirst du Streitfälle entscheiden?"
- Nach den Vorschriften des göttlichen Buches (des Korans)."
- "Und wenn du dort keine Vorschriften findest?" -
"Dann nach dem Verhalten des Boten Gottes (Muhammad)".
- "Und wenn du auch dort keine Vorschriften findest?" -
"Dann werde ich mich bemühen, meinen eigenen gesunden
Menschenverstand zu Hilfe zu nehmen." - Der Prophet war so
entzückt von diesen Antworten, daß er - weit entfernt davon,
sich zu beklagen - ausrief: "Lob sein Gott, der den Boten
Seines Boten zu dem geführt hat, was dem Boten Gottes gefällt!"
(überliefert bei Muslim, zitiert nach Hamidullah: Der Islam, §
318)
Daß die Aussprüche und Taten des Propheten als autoritativ gelten, steht außer Frage. Wie weitgehend dieser Anspruch ist, bedarf jedoch einer genaueren Untersuchung. Schließlich hat Mohammed nicht nur Gehorsam, sondern auch Kritik an (seinen) Anweisungen gefordert.
Er offenbarte dir die Schrift, in der viele Verse
maßgebend und grundlegend sind: sie sind die Mutter (Grundsäulen)
der Schrift; andere dunkle (vieldeutige) sind bildlich zu nehmen.
(3,8)
Verzeihe ihnen (den Kleingläubigen, U.G.) nun
und bitte um Vergebung für sie; ziehe sie zu Rat in wichtiger
Sache;
(3,160)
... denn ihr werdet alle zu Allah heimkehren, und
dann wird er euch über das aufklären, worüber ihr uneinig wart.
(5,49 - vergleichbar 16,93 - 22,70 )
Sprich: "Seht,ich bin nur ein Mensch wie ihr
..."
(41, 7 - 18,111 )
... und sich bei ihren Handlungen in Beratung
beistehen ...
(42,39)
O Gläubige, kein Mensch soll einen anderen
Menschen vespotten, denn vieleicht sind diese, die Verspotteten,
besser als jene, die Spötter;
(49,12)
Wir haben noch keinen Gesandten oder Propheten
vor dir (Mohammed) geschickt, welchem nicht, wenn er vorlas (seine
Sendung zu erfüllen trachtete), der Satan irgendeinen Irrtum in
seine Vorlesung (sein Streben) eingestreut hätte. ...
(22,53 - auf die "satanischen Verse" 53,20 bzw.53,21
wird auch in 17,74 und 16,99 angespielt)
(unbedingten Gehorsam verlangen dagegen - direkt oder indirekt - u.A. die Verse 53,7 - 2,3 - 4,70 - 4,60 - 4,14 - 33,37)
... Nur seinem Gesandten (S) hat Gott die
Erlaubnis dazu erteilt, nicht aber euch!
(Sahih al-Buhari III,37 Ausgabe Reclam 1991/1997 Seite 56)
Ibn Hazm und Anas Ibn Malik berichten, der
Prophet (S) habe erzählt:
Anschließend wies Gott meine Gemeinde an, jeden Tag fünfzig
Gebete zu verrichten. Nachdem ich diese Anordnung
entgegengenommen hatte, ging ich zurück. Ich kam bei Moses vorrüber,
und er fragte mich: "Welche Verordnung hat Gott für deine
Gemeinde erlassen?" Ich antwortete: "Er hat fünfzig
Gebete pro Tag vorgeschrieben." Mose sprach: "Geh zurück
zu deinem Herrn! Deine Gemeinde kann das nicht leisten!" Ich
tat, was er gesagt hatte. Gott fragte nach meinem Begehren und
verminderte darauf die Anzahl der Gebete auf die Hälfte. Als ich
wieder zu Moses kam, sagte ich: "Er hat es auf die Hälfte
reduziert!" Er aber sprach: "Kehre zu deinem Herrn zurück,
denn deine Gemeinde vermag das nicht!" Ich ging wiederum zu
Gott, und er verminderte die Anzahl der Gebete erneut auf die Hälfte.
Als ich wieder bei Moses war, sagte er wieder: "Geh zu
deinem Herrn zurück, deine Gemeinde ist dazu nicht imstande!"
Und wieder ging ich zu Gott. Er sagte: "Es sollen fünf
Gebete sein, die wie fünfzig Gebete berechnet werden. Und mein
Wort ändert sich nicht!" Als ich zu Moses kam, sagte er
abermals: "Kehre zu deinem Herrn zurück!" Ich aber
entgegnete: "Nein, das werde ich nicht tun! Ich schäme mich
vor ihm!"
(Sahih al-Buhari VIII,1 Ausgabe Reclam 1991/1997 Seite 96)
Gabir Ibn 'Abdullah berichtet:
Der Gesandte Gottes (S) und die Mekkaner trugen Steine für die
Kaaba herbei. Der Prophet (S) war nur mit einem Lendenschurz
bekleidet. 'Abbas, sein Onkel väterlicherseits, sagte zu ihm:
"O mein Neffe, es wäre doch besser, wenn du deinen
Lendenschurz hochnehmen und als Unterlage für die Steine auf
deiner Schulter verwenden würdest!" Der Prophet (S) folgte
diesem Rat. Plötzlich fiel er in Ohnmacht. Seit diesem Tag wurde
er nie wieder nackt gesehen.
(Buhari VIII,8 Reclam Seite 98)
'Abdul'aziz Ibn Suhaib berichtet: Anas erzählte:
"... Einige Zeit später kam Dhiya zum Propheten (S) und
sagte: 'O Prophet, gib mir von den Gefangenen eine Frau als
Sklavin!' Der Prophet (S) sagte: 'Geh und nimm dir eine Frau!'
Dihya wählte Safiya Bint Huyai aus. Ein Mann, der von Dihyas
Wahl gehört hatte, lief zum Propheten (S) und sagte: 'O Prophet,
du hast Dihya Safiya Bint Huyai zur Sklavin ggegeben! Aber sie
ist doch die Gebieterin der Stämme Quraiza und an-Nadir! Sie
steht niemand anderem zu als dir!' Der Prophet (S) befahl, Dihya
und Safiya zu ihm zu bringen. Als sein Blick auf Safiya fiel,
sagte er zu Dihya: 'Such dir unter den Gefangenen eine andere
Frau aus!' Safiya gab er anschließend die Freiheit und heiratete
sie."
(Buhari VIII,12 Reclam Seite 100f)
Ibrahim berichtet, 'Abdullah habe erzählt:
Eines Tages verrichtete der Prophet (S) das Gebet - Ibrahim ergänzte
an dieser Stelle, er wüßte nicht, ob der Propohet (S) das Gebet
an diesem Tag länger oder kürzer als sonst gestaltet habe -,
und nachdem er den abschließenden Gruß gesprochen hatte, sagten
die Leute zu ihm: "O Gesandter Gottes, gibt es eine Neuerung
im Ablauf des Gebets?" Der Prophet (S) fragte: "Warum
fragt ihr?" - "Hast du nicht eben auf die und die Art
gebetet?" Da wandte der Prophet (S) sich um und nahm wieder
die Gebetsrichtung ein. Er verrichtete zwei Niederwerfungen und
sprach darauf den abschließenden Gruß. Dann wandte er sich uns
wieder zu und sagte: "Wenn es eine Neuerung beim Gebet geben
würde, hätte ich es euch gesagt! Nein, es ist vielmehr so, daß
ich auch nur ein Mensch bin wie ihr und manchmal etwas vergesse.
Macht mich darauf aufmerksam, wenn es wieder vorkommen sollte...."
(Buhari VIII,31 Reclam Seite 105)
Ibn 'Umar berichtet:
... Den Gebetsruf gab es damals noch nicht. Eines Tages sprachen
sie über diese Angelegenheit. Einige Leute sagten: "Laßt
uns den Naqus benutzen, wie die Christen es tun!" Andere
meinten: "Wir könnten ein Blasinstrument wie die Juden
verwenden, um das Gebet anzukündigen." 'Umar sagte: "Warum
bestimmen wir nicht einen Mann, der zum Gebet ruft?" Als der
Gesandte Gottes (S) diesen Vorschlag hörte, sagte er zu Bilal:
"O Bilal, steh auf und ruf zum Gebet!"
(Buhari X,1 Reclam Seite 135)
'A'isa (Ra), die Frau des Propheten (S) berichtet:
... Am nächsten Morgen rief der Gesandte Gottes (S) 'Ali Ibn Abi
Talib und Usama Ibn Zaid zu sich. Er wollte sie um ihre Meinung
fragen, ob er sich von seinen Frauen scheiden solle oder nicht.
Zu dieser Frage war keine Offenbarung erfolgt. ...
(Buhari LII,15 Reclam Seite 284)
Anas (Ra) berichtet:
Der Prophet besaß eine Kamelin, die al-'Adba' hieß. Kein
anderes Kamel konnte sie in einem Rennen besiegen. eines Tages
aber kam ein Beduine mit einem Kamel, das noch keine sechs Jahre
alt war, und besiegte al-'Adba' in einem Rennen. Die Muslime
waren sehr traurig darüber. Als der Prophet (S) das merkte,
sagte er: "Gott läßt nichts auf dieser Welt existieren,
dem er einen besonderen Rang verleiht, ohne es auch zu
erniedrigen!"
(Buhari LVI,59 Reclam Seite 307)
Ibn 'Umar (Ra) berichtet, der Prophet (S) habe
gesagt:
Hört auf euren Anführer und gehorcht ihm, solange er nichts
Ungesetzliches anordnet. Sollte das der Fall sein, dann hört
nicht auf ihn und verweigert ihm den Gehorsam!
(Buhari LVI,108 Reclam Seite 313 ähnlich auch Buhari
XCIII,4 Reclam Seite 474)
Umm Salama (Ra) berichtet, der Gesandte Gottes (S)
habe gesagt:
Ich bin auch nur ein Mensch! Ihr kommt mit euren Streitigkeiten
zu mir, damit ich zwischen euch urteile. Es mag vorkommen, daß
der eine seinen Standpunkt besser vertretenkann kann als der
andere. Ich muß aufgrund dessen entscheiden, was ich gehört
habe! Wenn ich jemandem mit meiner Entscheidung das Recht
zubillige, das seinem Kontrahenten zusteht, so darf er es auf
keinen Fall annehmen! Im anderen fall wird ihm das Rechtt, das
ihm zu Unrecht zugesprochen wurde, zu einem Teil des Höllenfeuers
werden!
(Buhari XCIII,20 Reclam Seite 477)
(eine Begebenheit in der Schlacht bei Badr:)
Der Prophet ritt mit seinen Männern eilends bis zum ersten
Brunnen von Badr und hielt an. Dort an jenem Brunnen fragte Al-Habbab
Ibn Mundir den Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm: "Dieser
Platz hier, von dem es kein Vor und kein Zurück mehr gibt hat
Allah ihn dir gewiesen, oder hast du ihn nach deiner Meinung und
aus deiner Berechnung heraus gewählt?" "Letzteres ist
richtig", erwiderte der Prophet, Allahs Segen und Friede auf
ihm. Da sprach Al-Habbab: "O Gesandter Allahs! Dies ist kein
geeigneter Platz. Mach dich mit den Leuten auf und laß uns zu
den Brunnen ziehen, die den Feinden am nächsten liegen. Die
anderen Brunnen dahinter wollen wir verstopfen. Bei unserem
Brunnen aber legen wir ein Becken an und füllen es mit Wasser. Kämpfen
wir dann mit ihnen, haben wir zu trinken, sie aber nicht."
"Einen guten Rat hast du mir da gegeben", dankte ihm
der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, und machte sich mit
seinen Männern wieder auf den Weg.
(Lexikon der Sira, Islamische Bibliothek 1998, Seite 105)
(Gelegentlich nahm Mohammed auch schlechten Rat an. Zur Taktik der Schlacht von Uhud etwa ließ Mohammed sich gegen seine eigene Intuition von seinen Männern überreden, Lexikon der Sira, Seite 378f)
Abu Bakr erklärte:
"Ich wurde zu eurem Oberhaupt bestimmt, aber ich bin nicht
der beste unter euch. Wenn ihr mich im Recht seht, so helft mir.
Wenn ihr mich irregehen seht, so weist mich zurecht."
(zitiert nach Tariq Ramadan: Muslimsein in Europa, MSV-Verlag
2001, Seite 53)
Rafi Ibn Chadidsch:
Der Prophet kam nach Madina, wo (die Leute) die Dattelpalmen
befruchteten. Er fragte: "Was machtihr?" Sie
antworteten: "Das haben wir schon immer so gemacht."
Darauf entgegnete er: "Vielleicht wäre es besser für euch,
es nicht zu tun." So ließen sie es, und (die Ernte) war
geringer. (Der Überlieferer) sagte: Sie berichteten es (dem
Propheten). Da sagte er: "Ich bin nur ein Mensch. Wenn ich
euch hinsichtlich eurer Religion etwas anordne, so befolgt es.
Wenn ich euch jedoch etwas aufgrund meiner Meinung anordne, so
bin ich nur ein Mensch."
(Muslim, zitiert nach Allahs Gesandter hat gesagt ..., Haus
des Islam 1998, Seite 67f)
Amr Ibn Auf:
Allahs Gesandter hat gesagt: "Der Glaube (des Islam) war
anfangs (für die Leute) fremd, und wird wieder werden, wie er
begann. Wohl den Fremden, die wieder herstellen, was die Leute
nach mir von meiner sunna verdorben haben werden."
(Mischkat, Allahs Gesandter hat gesagt ... Seite 71f)
Bei der Interpretation der Ahadith und des Koran sind m.E. zu bedenken:
- die Situationsgebundenheit bestimmter Anordnungen
- die unerfüllte Endzeiterwartung -> damit ist selbst die Gültigkeit gewisser koranischer Anweisungen begrenzt hinterfragbar.
- Bedeutungswandel der Vokabeln -> entsprechende Untersuchungen von Christoph Luxenberg ("Die syro-aramäische Lesart des Koran", Das Arabische Buch, 2000) sind noch nicht abgeschlossen
- Bedeutungsoffenheit der früharabischen rasm-Schrift -> bzgl. der Untersuchungen des Saarbrücker Islamwissenschaftlers Puin zu den im Jemen gefundenen Handschriften kenne ich ebenfalls noch keine abschließende Dokumentation
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erstellt: 17.08.2003 letzte Änderung: 17.08.2003