"An den Früchten sollt ihr sie erkennen" (Mt7,16)

"Als aber eine Hungersnot über Chananaea hereingebrochen war und Abram von der Aegyptier Wohlstand hörte, begab er sich freudig dorthin, um von ihrem Überflusse zu geniessen und die Meinung ihrer Priester über die Götter zu vernehmen. Wenn dieselben Besseres lehrten, wollte er ihnen folgen, andernfalls versuchen, sie eines besseren zu belehren." (Josephus, JA 1,8,1)

 

Heiden in der Bibel, Möglichkeit einer positiven Sicht

Inhalt:

1. Bibelstellen, die den Heiden eine eigene Religiosität zubilligen bzw. vom Heil der Menschen handeln, die nicht dem auserwählten Volk angehören, mit knapper Inhaltsangabe / Kommentar
2. Ein paar Bibelstellen, die scheinbar oder tatsächlich Intoleranz gegenüber heidnischen Religionen fordern
3. Bibelstellen zum praktichen Umgang mit Heiden und Angehörigen anderer Konfessionen (und mit sich selbst)

 

1. Bibelstellen, die den Heiden eine eigene Religiosität zubilligen bzw. vom Heil der Menschen handeln, die nicht dem auserwählten Volk angehören, mit knapper Inhaltsangabe

AT:

(1.Mo14,18-19) Melchisedek, stellvertretend für alle Gottesfürchtigen vor Jakob, zeigt, daß Menschen auch dann eine Beziehung zu Gott haben können, wenn sie nicht zum auserwählten Volk gehören.

(4.Mo.22-24 bes. 24,9) Bileam gehorchte dem Einen Gott, obwohl er vermutlich nicht zum Volk Israel gehörte.

(4.Mo22,28) desgleichen Bileams Esel, der darüberhinaus auch kein Proselyt oder Gottesfürchtiger gewesen sein dürfte.

(5.Mo4,19) Gott erlaubt, ja befiehlt den Völkern den Sternendienst, für sie kann dieser Götzendienst also keine Sünde sein.

(1.Kö19,15) Elia salbt Hasael zum König von Aram. Zählten die Aramäer nicht zu den Heiden?(1.Kö20,23u.28)

(Hiob) soll ein Nachkomme Esaus gewesen sein.

([1.Kö8,27] Ps19  Ps139,7-12 [Amos9,3]) Allgegenwart Gottes, also wird er doch wohl auch von Menschen erkennbar sein, die nie etwas von ihm gehört haben? Kann man auch (Ps97,6  Ps98,2) in diesem Sinn verstehen?

(Ps24) die Unschuldigen des Erdkreises werden den Segen des Herrn empfangen

(Ps33,14-15  Ps104,4 Ps119,91) Gott lenkt allen das Herz, alles muß Gott dienen. Ich bin sehr in Versuchung, hinter dieser Formulierung die Gegenwart Gottes auch im Herzen eines Heiden zu vermuten.

(Ps82,1  Ps97,7  Ps148,3) Die Götzen sollen den Einen Gott anbeten, der Eine ist Richter in der Göttergemeinde, die Sterne (=Sinnbild für Götzen) sollen Ihn loben. Auch hier bin ich in Versuchung, Götzendienst als indirekten Dienst am Einen Gott zu interpretieren. So etwa im Sinne von: Wenn man dem Befehl des Unteroffiziers gehorcht, gehorcht man gleichzeitig dem General.
(sorry, das ist vielleicht weit hergeholt, aber ich empfinde dieses hierarchische Modell als recht gut. Es kann den Panentheismus, den Poly- und Monotheismus zu einer Synthese verbinden, die religiöse Toleranz etwas erleichtert.)

(Ps82,7) ... und hier sind die Götzen denn auch schon tot, und nicht mehr nur minderwertig.

(Ps87) auch manche Heiden haben Heimatrecht in Zion

Jes.5,26 Heiden gehorchen dem Gott der Juden

(Jes44,28-45,1) Cyrus, wohl kaum ein Jude, wird als der Gesalbte Gottes bezeichnet

viele Jesjastellen, die davon reden, dass Heiden sich bekehren werden, zT weitgehend unerfüllt. Ist Jes19,23f vielleicht nur eine ausgeschmückte Version von Jes11,16? Der in Jes19,19 erwähnte Altar koennte sich auf den jüdischen Tempel zu Elephantine in Ägypten beziehen, in dem nach Papyrusfunden wahrscheinlich ein synkretistischer Kult gepflegt worden ist.

(Jer27,6) Nebukadnezar wird als Knecht Gottes bezeichnet zu einem Zeitpunkt, zu dem er noch nicht bekehrt war (Dan3)

(Amos9,7) liest sich so, als ob sich die Israeliten gegenueber den Mohren, Philistern und Aramäern nicht bevorzugt fühlen möchten.

(Maleachi1,11f) Die Heiden bringen dem HERRN ein reines Opfer dar, das der Israeliten ist dagegen unrein

Pseudoepigraphen:

(Sirach1,10) alle Menschen haben Anteil an der Weisheit

NT:

(Mt2,1ff) die drei Weisen aus dem Morgenland werden durch ihre Sternkundigkeit zum Heiland geführt.

(Mt15,28) das kanaanäische Weib hat großen Glauben.

(Mt.8,10) desgleichen der vermutlich römische Hauptmann zu Kapernaum

(Mt11,24) den Sodomitern wird es am Tage des Jüngsten Gerichts besser ergehen, als den Juden in Kapernaum.

(Lk4,26-27) Naemann und die Witwe von Sarepta

(Apg.17,23) der unbekannte Gott, in dem die Griechen nach Ansicht des Paulus unwissender weise den Gott der Juden verehren

(Roem1,19  2,14-15) was man von Gott erkennen kann, ist unter den Heiden offenbar

(Roem13,1) Obrigkeit ist von Gott

(Mk12,37par   Joh8,56   Joh8,58   Joh17,5   Apg2,34ff) die zeitliche Allgegenwart Jesu legt auch seine räumliche Allgegenwart nahe.

 

2. Ein paar Bibelstellen, die scheinbar oder tatsächlich Intoleranz gegenüber heidnischen Religionen fordern

Die meisten dieser Bibelstellen sind explizit nur an die Juden gerichtet. Häufig ergibt sich aus der historischen Situation sogar ein noch weiter eingegrenzter konkreter Adressatenkreis. Man müßte gesondert untersuchen, inwieweit sie auch für die Angehörigen der anderen Völker (und Religionen) gelten.

 

2.Mo20,3

("Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.")

Aus dem Kontext von Vers 2 ("Ich ...habe Dich aus Ägyptenland geführt") ergibt sich zweierlei:
- Die Zehn Gebote sind explizit nur an Juden gerichtet.
- Gott ist derjenige, dern den ersten Schritt macht und auf die Menschen zugeht. Das Befolgen der Gebote ist von daher mit dem Bewußtsein verbunden, von Gott umsorgt zu sein.

Die Formulierung des ersten Gebotes macht nur vor dem Hintergrund der Monolatrie oder des Henotheismus einen Sinn.

Ändert sich dieser Hintergrund hin zum Monotheismus, dann muß auch dieses Gebot entsprechend anders gelesen werden, etwa in dem Sinn, daß man sich keinen Nicht-Gott zum Gott machen solle. Das unterscheidende Kriterium zwischen Gott und einem Götzen ist dann, daß der eine handeln kann, der andere aber nicht (vgl. Ps115,4ff uvm.). Während man den anderen Göttern durchaus zunächst eine eigene Existenz und Wirkmächtigkeit (zB. Jes14,12) zugestand, reduzierte man sie in der Folge polemisierend auf ihr Standbild (Zusätze zum Buch Daniel C, Daniel entlarvt den Götzen Bel).
Diese Bedeutungsverschiebung relativiert das erste Gebot. Es ist mit einem Mal nicht mehr der Wortlaut der Offenbarung maßgeblich, sondern die Uminterpretaion durch die folgenden Generationen.

Man wird darum auch vorsichtig nach der Identität Gottes mit den Göttern der anderen Religionen fragen dürfen.

 

2.Mo20,4

"Du sollst dir kein Bildnis noch irgendeini Gleichnis machen"
dies scheint mir der zentrale Punkt des ersten Gebotes zu sein. Bei Philo, einem Pseudoepigraphen, fangen die zehn Gebote mit dem Bilderverbot erst an. "Unser" erstes Gebot fehlt bei ihm. Auslegungen, die die Bibel selber liefert, zielen darauf ab, daß Gott mehr als ein Bildnis aus Stein, Holz, Metall oder was auch immer ist, daß allein das Abbild keine Gottheit darstellen kann (2.Mo32,4 das goldene Kalb    Jesaja44,9-20    ZusätzeDanielC1-22 Daniel entlarvt den Götzen Bel    Weisheit13-15    Brief Jeremias). Bewußtsein darüber, daß Gott vom Bild verschieden ist, macht Bilderverehrung dagegen erlaubt (4.Mo21,8 die eherne Schlange), so daß der in der katholischen Kirche und in anderen Religionen verbreitete Bilderkult nicht von vornherein abgelehnt werden kann.

 

5.Mose20,16

"Aber in den Städten dieser Völker hier, die dir der HERR, dein Gott zum Erbe geben wird, sollst du nichts leben lassen, was Odem hat."
Begründet wird dieses Gebot mit der Versuchung zum Götzendienst, die die fremden Völker darstellen würden. Ob das als Rechtfertigung hinreicht, dh. ob kulturelle Homogenität damals einen Überlebensfrage war, das möchte ich bezweifeln.

Es gibt noch mehr tatsächlich oder scheinbar Intoleranz predigende Stellen, besonders im AT. Ich sehe die Bibel wie den genetischen Code eines Lebewesens. Genauso wie wir Menschen das Erbmaterial früherer Entwicklungsstufen (etwa von Fischen oder Reptilien) mit uns "rumschleppen" ohne daß sie zur Entfaltung kämen, genauso sind auch diese Bibelstellen die Dokumentation einer früheren Entwicklungsstufe auf dem Wege der Verwirklichung der Gottbeziehung, die sich im selbstverwirklichten Gläubigen nicht manifestieren.

 

(Joh.14,6)

("Niemand kommt zum Vater denn durch mich" )
Auch hier muss man man wieder den Hintergrund analysieren, vor dem diese Aussage getroffen worden ist:
1. Jesus ist an besagter Stelle im Johannesevangelium als "Weg, Wahrheit und Leben" definiert, und alle drei gibt es eben auch in anderen Religionen. Wenn Jesus Wahrheit ist, dann ist Wahrheit auch Jesus. Folglich ist Jesus auch in anderen Religionen anzutreffen, eben als Wahrheit, auch wenn er nicht explizit erwähnt wird, ja nicht einmal dem Namen nach bekannt ist.
2. Jesus spricht dieses Herrenwort zu einer ganz erlesenen Auswahl seiner Jüngerschaft. Inwieweit es auch für andere Gültigkeit beanspruchen kann, ist Interpretationssache.
Ein Problem ist zudem, dass die Bibel nach 5.Mose23,3-4.9 gewissen Heiden den Zutritt zur Gemeinde verwehrte. Andererseits betont der Universalismus, wie er besonders bei Jesaja zum Ausdruck kommt, den Heilswillen Gottes für alle Völker. Beides ließe sich nur vereinbaren, wenn Gott den betreffenden anderen Völkern das Heil innerhalb ihrer Religion zukommen ließe.

Wie ist dann das Opfer zu erklären, daß Jesus auf sich genommen hat ?<-> Muß man die Antwort kennen? Reicht es nicht aus, wenn man sich in diesem Akt angenommen weiß?

Vielleicht:
Wenn man darauf verzichtet, eigenen Vorstellungen mit Gewalt Geltung zu verschaffen, etwa wie Jesus es bei der Tempelreinigung versucht hatte, wenn man anderen ganz selbstverständlich eine individuelle Entscheidung bezüglich ihres Verhältnisses zu Gott als ehrlich abkauft, sie eben so annimmt, wie sie sind, dann erst stimmt die zwischenmenschliche Chemie (,daß etwas von dem Funken überspringen koennte, aber das muß man geschehen lassen, wie es auch immer kommt, da hat man keinen Einfluß drauf). Daß der schwache (gekreuzigte) Jesus aber letzten Endes sehr viel mehr beeindruckt hat als zuvor der starke Jesus im Tempel, läßt ein wenig hoffen, daß die friedliche Methode zuletzt die stärkere sein wird. (Mt5,5)

 

3. Bibelstellen zum praktichen Umgang mit Heiden und Angehörigen anderer Konfessionen (und mit sich selbst)

Vorraussetzung für Toleranz ist, dass man selber in seinen Ansichten gefestigt ist und sich nicht durch andere Meinungen, bevor man sie geprüft hat, aus der Bahn werfen läßt. Sich selber anzunehmen, sich zu bejahen, so wie man ist, wenn man das kann, nur dann kann man sich mit anderen unterhalten, nur dann ist man selber es und nicht seine Maske, der/die mit dem Anderen redet. Wenn man nicht derart in seinem Selbst ruht, dann kann es sinnvoll sein, es für sich abzulehnen, sich mit Andersgläubigen zu unterhalten. Ein frisch Bekehrter braucht die schützende Atmosphäre der Gemeinschaft Gleichgesinnter, um sein Seelenleben zu ordnen.

An solche "Schwachen im Geiste" richten sich Bibelstellen wie 2.Joh10-11 , Titus3,10 oder Röm16,17 (die zivilisierten Versionen von 5.Mo20,16ff). Für die Starken gilt dagegen Römer8,28: "Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen..." Sie haben es nicht mehr nötig, sich bewußt abzugrenzen.

Spr24,19: "Erzürne dich nicht über die Bösen und ereifere dich nicht über die Gottlosen;"

Unvollkommenheit: Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, nobody is perfect: Philipper3,12   Römer3,4    Römer3,23   1.Kor13,9+12   Hiob11,7   Hiob14,4   Joh16,12  Mt19,26   Mk10,18   Mk10,27   Titus1,5-13    Jer8,8    1.Joh.1,8

Die Unvollkommenheit erlaubt es nicht, ein Urteil über den Nächsten zu fällen, geschweige denn zu vollstrecken. Apg5,38-39 (im selben Sinn Römer14 und Mt10,34)   Mt13,29   Mt12,43-45   Mt7,1   Mt5,45  Röm14,13   Röm3,23   1.Kor2,2   Joh8,7   Mt19,26   Jos5,14  

Die Vollkommenheit, die die Bibel lehrt, ist anderer Natur. Mt5,48 (Feindesliebe als Zeichen der Vollkommenheit): Wenn ich um meine eigene Unzuläglichkeit weiß, dann kann ich auch die Fehler meines Nächsten ertragen und ihn trotzdem ernst nehmen, genauso wie ich trotz meiner Fehler ernst genommen werden möchte. Phil3,15 macht ganz deutlich, daß das Wissen um die eigene Unvollkommenheit (im konventionellen Sinn) zur Vollkommenheit (im religiösen Sinn) gehört. Ähnlich könnte man Spr.28,13f verstehen. Kol3,14  1.Kor13,3  zeigen ebenfalls, dass Vollkommenheit im religiösen Sinne nichts mit Perfektion zu tun hat. Ziel ist vielmehr, dass das Innere wie das Äußere wird, aus Heuchlern ehrliche Menschen werden, die sich frei entfalten. (Mt19,14)

Intoleranz anderen Religionen gegenüber hat oft auch mit der Trägheit zu tun, sich nicht mit anderen Ansichten auseinandersetzen zu wollen. Gegen die Trägheit zB.: (Mt25,13, die schlafenden Jungfrauen),  (Jes32.11)"zittert, ihr Sicheren!" , (Lk12,20) "denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat." , Amos6,1. Aufmerksamkeit ist gefordert, ungefähr: Gewahrsein eines jeden Augenblicks, die prickelnde Neugier auf das Unbekannte, das Einatmen alles Neuen, das Loslassen alles Vergehenden. "Es gibt nichts besseres, als das Leben so zu genießen, wie es ist" (frei nach Pred.3,12)

Mt13,24ff: Das Unkraut (steht für Andersgläubige) im Weizenfeld soll nicht ausgejätet (bekämpft) werden

Mk9,39: keine Unduldsamkeit gegenüber anderen "Konfessionen"

Mt18,16f: Sind Abtrünnige dreimal ermahnt worden (durch einen Einzeln, durch mehrere, und schließlich vor der Gemeinde), so ist es genug.

 

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erstellt: letzte Änderung: 24.07.2001